Das Sehen bei Tieren
Wie sehen Tiere die Welt? Ist ihre Sicht der unseren ähnlich?
Diese Frage stellt sich der Mensch seit langem. Lange Zeit glaubte man, Tiere sähen die Welt nur in Schwarz-Weiss. Heute weiss man, dass das falsch ist und dass auch Tiere Farben unterscheiden können. Einige haben eine Sehschärfe, die wesentlich besser ist als unsere. Und manche sehen auch nachts sehr gut. Greifvögel, Katzen, Eulen, Fische - jeder hat seine eigene Spezialität.
Aber sowohl bei Menschen als auch bei Tieren funktioniert die Fähigkeit zu sehen auf die gleiche Weise. Dank zweier Zelltypen in der Netzhaut ist das Auge in der Lage, Licht einzufangen und die Informationen an das Gehirn weiterzuleiten, das dann ein Bild erzeugt.
Die Stäbchen sind lichtempfindliche Rezeptoren, die auch bei geringer Helligkeit aktiviert werden können: Sie sorgen für das globale Sehen bei Tag und Nacht. Die Zapfen hingegen sorgen für die Wahrnehmung von Farben und Details und reagieren nur auf Tageslicht.
Bei Tag und bei Nacht
Je stärker das Leben eines Tieres durch Nachtaktivität bestimmt ist, umso grösser ist die Anzahl der Stäbchen in der Netzhaut gegenüber den Zapfen. Bei ausschliesslich nachtaktiven Tieren, wie Eulen oder Uhus, ist die Pupille rund und gross und sehr stark erweiterbar, wodurch das Auge in der Nacht so viel Licht wie möglich aufnehmen kann.
Bei einem Tagjäger, wie z. B. dem Steinadler, hat die Netzhaut viel mehr Zapfen als Stäbchen und liefert ein sehr genaues Bild eines weit entfernten Objekts.
Der Mensch, der Hund und die Katze
Unsere Augen sehen nah, weit und nehmen mit ihren jeweils 100 Millionen Stäbchen genug Helligkeit auf, um sich nachts zu orientieren. Aber unsere Nachtsicht ist im Vergleich zu der von Hund und Katze trotzdem von sehr geringer Intensität.
Das Auge eines Hundes hat viel mehr Stäbchen als unser Auge. Und da sich seine Pupille sehr stark ausdehnen kann, sieht er auch bei sehr schwachem Licht klar. Ausserdem hat er eine reflektierende Membran hinter der Netzhaut, das tapetum lucidum, das jedes bisschen Licht einfängt. Sie ist es, die die Augen von Hunden (und auch Katzen) zum Leuchten bringt, wenn sie nachts von einer Lichtquelle angestrahlt werden.
Der Hund kann weder gelbe, rote noch blaue Farben sehen. Seine Farbpalette dreht sich daher um Grün. Er hat jedoch eine bessere periphere Sicht als wir, was unter anderem auf die seitliche Position seiner Augen zurückzuführen ist.
Katzen sehen dichromatisch: Ihre Netzhaut enthält zwei Arten von Zapfen, von denen die einen auf Blau, die anderen auf Grün reagieren. Wie Farbenblinde, kann eine Katze nicht zwischen Rot und Grün unterscheiden.
Mit ihren jeweils 150 Millionen Stäbchen machen ihre Augen sie zu einem gefürchteten Nachtjäger. Um das empfindliche Auge zu schützen, schrumpft die Pupille bei hellem Licht auf einen schmalen Spalt. Während das Auge der Katze gut für die Nachtsicht geeignet ist, ist es bei Tag nicht sehr leistungsfähig und bildet Objekte nicht präzise ab. Ausserdem ist die Katze stark kurzsichtig. Sie sieht fünfmal schlechter als der Mensch.
Welche Farben für welche Tiere?
Spitzmäuse und Eichhörnchen sind wie wir vollkommen trichromatisch, d. h. sie sind empfindlich für Blau, Grün und Rot. Nagetiere haben eine sehr gute Nachtsicht, aber eine schlechte Farbwahrnehmung. Der Hase kann gut zwischen Blau und Grün unterscheiden. Das Pferd kann manche Farben (Gelb und Grün) besser unterscheiden als andere (Blau und Rot). Rinder können Rot nicht sehen. So werden Stiere nicht von der Farbe des Umhangs angezogen, sondern von dessen Bewegung.
Zwei oder drei Dinge, die wir über Sie wissen
Insekten verfügen über zwei Arten von Sensoren: Ozellen (auch Einfachaugen genannt), die auf die Lichtintensität reagieren, und Facettenaugen (auch zusammengesetzte Augen genannt), die eine grosse Anzahl von lichtempfindlichen Zellen enthalten (8000 bei der Biene). Ein Facettenauge einer Biene übermittelt dem Nervensystem 200 Bilder pro Sekunde, während das menschliche Auge dem Gehirn 24 Bilder pro Sekunde übermittelt.
Bei den Reptilien weiss man, dass die Schildkröte zwischen Blau, Grün und Orange und die Eidechse zwischen Gelb, Rot, Grün und Blau unterscheidet. Vögel schliesslich haben eine ausgeprägte Farbwahrnehmung und scheinen ihr Verhalten eher nach der Farbe als nach Form oder Bewegung auszurichten.
Kurz gesagt: Wie das menschliche Auge ist auch das tierische Auge ein Produkt der Evolutionsgeschichte und wird an die Bedürfnisse der jeweiligen Spezies sowie an ihre Umwelt angepasst.